Sie sind hier: Startseite / Sonstiges / Reisebericht / San Cristóbal
14.12.2024 : 23:24 : +0100

San Cristóbal, EZLN und unsere Plaene

San Cristóbal

Santo Domingo (nicht die Kathedrale)

Wir freuten uns darauf, wieder in San Cristóbal de Las Casas zu sein, wo wir bei der letzten Reise schon laenger waren. Nach dem vielen Neuen, das wir in den vergangenen Monaten erlebt und zu verarbeiten hatten, war es nun angenehm, in eine vertraute Umgebung zu kommen. Die Strecke von Palenque hierher fuehrt zuerst ueber die Auslaeufer der Selva Lacandona, dann hinunter in die Ebene von Ocosingo und wieder hinauf in “Los Altos de Chiapas”. Eingebettet in deren bewaldete Berge liegt die Stadt auf 2100 m und hat ca. 90.000 EinwohnerInnen. Sie wurde 1528 von den Spaniern gegruendet und erhielt den Beinamen des Verteidigers der Rechte der Indigenas, Bartolomé de Las Casas. Sie hat einen grossen kolonialen Kern, der gut erhalten und schoen restauriert ist. Als TouristIn laesst es sich hier gut leben, weil es viele nette Restaurants, Bars und Unterkuenfte gibt und den BesucherInnen gefaellt die Kombination aus kolonialem Erbe und “farbenfroher” Kultur der Indigenas.

 

Wie Chiapas insgesamt hat San Cristóbal einen hohen Anteil an indigener Bevoelkerung, die allerdings – wie man sofort an den vielen StrassenverkaeuferInnen und bettelnden Menschen, darunter viele Kinder, sieht – zum Teil unter schwierigen Bedingungen leben muss. Ein langes Zitat von Subcomandante Marcos, in dem er ihre Lebensbedingungen und Unterdrueckung beschreibt, haben wir oben auf der Seite “Potosí und der Che” wiedergegeben. Aus dieser Situation heraus begannen sich Mitte der Achtzigerjahre Teile der Maya-Bevoelkerung (Tzeltales, Tzotziles, Choles und Tojolabales) in Chiapas im Ejercito Zapatista de Liberación Nacional / EZLN zu organisieren und auf den – auch – bewaffneten Widerstand vorzubereiten. Am 1. 1. 1994, gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens NAFTA mit den USA und Kanada, fuehrten sie ihre erste militaerische Aktion durch und besetzten neben San Cristóbal und Ocosingo noch weitere Orte. Nach ein paar Tagen heftiger bewaffneter Auseinandersetzungen zogen sie sich zurueck und boten der Regierung Verhandlungen an, die im Feber 1996 zum Uebereinkommen von San Andrés fuehrten. Darin wird der indigenen Bevoelkerung unter anderem die in ihrer Kultur wichtige Selbstverwaltung ihrer Gebiete (auch mit dem Schutz vor Ausbeutung der natuerlichen Ressourcen) zugestanden. Dieses Abkommen wurde von Regierungsseite nie eingehalten, aber seither nahmen sich viele Indigenas das Recht auf Selbstverwaltung ihrer Doerfer, die nun “autonome Gebiete” genannt werden. Obwohl die EZLN keine bewaffneten Aktionen mehr durchfuehrte¹, gibt es einen mehr oder weniger intensiven Krieg auf niederer Stufe in Chiapas. Er wird von Seiten des Militaers und paramilitaerischer Gruppen unter grober Verletzung der Menschenrechte gefuehrt, was den damaligen Bischof von San Cristóbal, Samuel Ruiz, zur Gruendung des Menschenrechtsinstituts “Fray Bartolomé de Las Casas” veranlasste². (Da sich dieser Bischof zu sehr auf die Seite der Armen stellte, wurde sein nach Kirchenrecht notwendiges Ruecktrittsgesuch bei Erreichung eines bestimmten Alters von Johannes Paul II. sofort angenommen. Es wurde ein “konservativer” Nachfolger eingesetzt, der sich allerdings nach kurzer Zeit ebenfalls so stark fuer die Rechte der Indigenas engagierte, dass er versetzt wurde.)

 

“FrayBa” entsendet Leute aus Mexiko und dem Ausland in die autonomen Gebiete, die nur die Aufgabe haben, dort fuer einige Zeit (mindestens zwei Wochen) zu leben und den Indigenas mit ihrer Anwesenheit Schutz vor Uebergriffen zu geben. Natuerlich werden in dieser Taetigkeit relativ Unerfahrene wie wir nicht in Gebiete geschickt, die fuer sie gefaehrlich werden koennten, es hat seit Beginn der Arbeit von FrayBa auch keine diesbezueglichen Probleme gegeben. Am Dienstag (6. 2.) findet eine Einfuehrung statt und am Mittwoch werden wir fuer drei Wochen in einem Dorf als “observadores” leben, wie wir dies schon 2001 taten.

Aus diesem Grund wird es ungefaehr einen Monat lang keine neue Seite geben, im naechsten Bericht werden dann unsere Erfahrungen nachzulesen sein.

 

Dann verabschieden wir uns hier fuer ein Weilchen und schicken Gruesse aus den Bergen im mexikanischen Suedosten!                4. 2. 07

 

Korrekturen:

1) Da die Regierung die angekuendigten Verhandlungen verschleppte, besetzte die EZLN im Dezember 94 / Jaenner 95 nochmals einige Gemeindeaemter.

2) FrayBa wurde schon 1989 gegruendet, massive Menschenrechtsverletzungen haben in Chiapas (u. ganz Mexiko) eine lange "Tradition".