Sonstiges
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Kuba im 48. Jahr der Revolution
Liebe Leserinnen und liebe Leser, einen Monat waren wir auf Kuba (20. 12. bis 20. 1.), es war wunderschoen, und manches geht etwas langsamer, unter anderem das Internet. Ausserdem sind die Zugaenge fuer Touristen rar, man muss meist auf einen freien PC warten und viel Geld dafuer bezahlen. Wegen des US-Boykotts laufen die Tiefseekabel fuer das Internet um Kuba herum, daher gibt es nur eine Verbindung ueber Satellit, und die ist eben sehr teuer. Dass ihr / Sie eventuell vergeblich unseren naechsten Bericht aus Lateinamerika gesucht habt / haben, liegt also am US-Boykott. Wir bedauern …
Man/frau kommt schon mit einigen Informationen hierher, zB dass Gesundheits- und Bildungswesen ausgezeichnet und gratis sind, einmalig in Lateinamerika und auch vorbildlich fuer Europa. Man/frau sieht keine Kinder arbeiten oder betteln, ebenfalls einmalig in Lateinamerika. Man/frau braucht nirgendwo um sein Leben Angst haben (auf Geld und Fotoapparat muss man/frau trotzdem aufpassen).
Nach einem Monat als TouristIn im Land ist man/frau natuerlich weit davon entfernt, eine fundierte Einschaetzung der Lebenssituation der KuabanerInnen im 48. Jahr der Revolution zu geben, aber der Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Laendern faellt eindeutig zugunsten Kubas aus.
Einige sagten es und bei vielen hatten wir den Eindruck, dass sie zufruieden sind mit ihrem Leben hier. Werners Freund, der seine Heimat liebt und nicht weggehen moechte, kritisiert einiges am “Systemâ€: Die fehlende Reisefreiheit (er braucht eine Einladung von jemandem im Ausland, muesste dann um die Ausreiseerlaubnis ansuchen, in Devisen bzw. Pesos Convertibles bezahlen, und koennte dann die Erlaubnis fuer elf Monate erhalten, wobei er sich jeden Monat am Konsulat melden muesste), das System mit den zwei Waehrungen (siehe unten), die Kontrolle durch die “Comites de Defensa de la Revolución†(diese wurden in den 60er Jahren eingefuehrt, als es staendig Anschlaege durch kubanische und auslaendische Gegener der Revolutionsregierung gab, zur Aufdeckung solcher Aktivitaeten; sie uebernahmen dann neben den sicherheitsdienstlichen immer mehr Aufgaben, zB im Gesundheitsbereich) oder dass bestimmte Hotels Touristen vorbehalten sind und er dort kein Zimmer nehmen kann, auch wenn es ihm ein auslaendischer Freund bezahlen wuerde.
Es gibt zwei Waehrungen, Pesos Cubanos (oder Nacionales) und Pesos Convertibles (“CUCâ€; weil sie frueher einmal eins zu eins zum USD gewechselt wurden auch einfach Dollares genannt). TouristInnen koennen fast ausschliesslich in Convertibles bezahlen, und die Preise haben dann europaeisches Niveau. Die Regierung braucht dringend Devisen, und es ist wohl recht und “billigâ€, dass sie sie von TouristInnen holt, die hauptsaechlich aus den Laendern kommen, deren Wirtschaft jahrhundertelang an Kubas Reichtuemern mitprofitiert hat.
Hotels und Transfers sind immer in CUC zu bezahlen, die Taxis, die Touristen benuetzen duerfen, auch. (“Taxis americanosâ€, alte US-Schlitten, nehmen oft auch illegal Touristen mit, weil sie die CUC wollen; genauso wird man von FahrerInnen von Privatautos gefragt, ob man mitfahren will – gegen CUC natuerlich). In den meisten Restaurants und Bars muss ebenfalls in CUC bezahlt werden, auch von den KubanerInnen. Dasselbe gilt fuer alle “Supermaerkte†und (alle?) anderen Geschaefte ausser den “Bodegasâ€, wo nur KubanerInnen, teilweise mit Lebensmittelmarken, einkaufen duerfen. Als TouristIn kann man am Mercado Obst und Gemuese mit Pesos Nacionales kaufen (das ist ein “halbfreier†Markt, also die Standbetreiber verkaufen auf eigene Rechnung, muessen aber hohe Gebuehren an den Staat zahlen oder so aehnlich), eine Pizzaschnitte im Strassenverkauf oder – wenn er/sie eines findet - in einem Restaurant, das eben ueber nationals Geld funktioniert. Das beruehmte Eis von Copelia (siehe den Film “Erdbeeren und Schokoladeâ€) gibt es an einem Standl nur gegen CUC, zu bestimmten Zeiten koennen es KubanerInnen in einem sonst abgeschlossenen Eissalon fuer nationals Geld kaufen und stehen dafuer Schlange, obwohl es sich nicht lohnen wuerde, wie Werners Freund meint, weil es mit Wasser gestreckt sei. Fuer Kinokarten werden ausschliesslich 2 Pesos Cubanos genommen, und das ist dann ungeheuer billig fuer uns. Bei Theatern gibt es meist extra Preise in CUC fuer Touris, aber wenn man sich von einer Kubanerin eine Karte kaufen laesst, soll man kein Problem beim Einlass haben. (Wir waren auf diese Art und Weise in einer sehr netten Nussknacker-Auffuehrung fuer Kinder & Erwachsene.)
Kartoffeln gibt es, wohl weil sie fuer die Ernaehrung der KubanerInnen wichtig sind, nur in den Bodegas, hier lebende AuslaenderInnen koennten sie also nur am Schwarzmarkt erstehen. Das ist aber nicht das Problem, sondern der umgekehrte Fall: Viele KubanerInnen haben keine CUC und koennen daher vieles nicht kaufen (an Toiletteartikel soll man zB fast nur ueber die CUC-Geschaefte kommen) und sie koennen sich in die meisten Restaurants und Bars gar nicht hineinsetzen. Dort sitzen aber viele und sie kaufen auch in den Geschaeften ein, denn es gibt eine geteilte Gesellschaft: diejenigen, die legal (zB weil sie Zimmer vermieten, Privatrestaurants betreiben oder sonst im Tourismus arbeiten und Trinkgeld bekommen) oder illegal an CUC kommen, und die Mehrheit, die das nicht kann. Dies ist wohl das groesste Problem (neben der Prostitution), das mit der Ankurbelung des Tourismus, den Kuba wieder als Devisenbringer braucht, auf die kubanische Gesellschaft zukam.
Wer von Europa nach Kuba reist, sollte Euros mitnehmen, denn fuer 1 € bekamen wir zwischen 1,16 und 1,14 CUC, fuer den Dollar nur 0,80; da Kuba wegen des Boykotts Probleme mit dem Dollar am Weltmarkt hat, wird er mit einer zehnprozentigen Steuer belegt. Bankomaten zur Abhebung mit Kreditkarte gibt es nicht, fuer jede Transaktion mit ihr werden 11 Prozent aufgeschlagen. Fuer 1 CUC erhaelt man 24 Pesos Cubanos. Ein kubanischer Arbeitnehmer bekommt vier- bis fuenfhundert solcher Pesos im Monat, eine Aerztin auch nicht mehr. Er/sie haette zwar die Moeglichkeit, eine bestimmte Anzahl Pesos Cubanos in Convertibles zu wechseln, aber bei dem geringen Lohn wird das kaum leistbar sein. Beat, ein hier arbeitender Schweizer, sagte, dass die Regierung aktuell die Hebung dieses niedrigen Lohnniveaus anstrebe.
Die vorherrschende Meinung in Europa (und den USA) ist wohl, dass die kubanische Revolution den Tod des achtzigjaehrigen Comandante en Jefe nicht lange ueberleben wird (und in den Washingtoner Aktenschraenken werden sicher viele Plaene fuer den Tag X liegen). Die Meinung hier ist eine andere. Fidels Bruder Raúl ist anscheinend nicht so unbeliebt, wie das bei uns kolportiert wird, er soll auch ein bisschen eine andere Linie als Fidel vetreten bezueglich der beschraenkten Zulassung von privater Geschaeftstaetigkeit und hat in der Armee in Ansaetzen “unternehmerische†Aspekte eingefuehrt. (Die Armee betreibt auch zB Tourismusbetriebe wie das Hotel in Maria la Gorda im Westen der Insel – siehe naechste Seite - oder das Busuntermehmen Transgaviota.) In Havanna werden ebenfalls Plaene fuer den Tag X liegen, und ein juengeres Fuehrungskollektiv koennte nach Fidel die Weiterfuehrung der Revolution in die naechsten Jahrzehnte mit ermoeglichen, die Unterstuetzung der grossen Mehrheit der Bevoelkerung schiene es zu haben. Und wenn den KubanerInnen ein anderer Weg als der chinesische gelaenge, wuerden wir uns das auch wuenschen.
(Fortsetzung siehe die naechsten zwei Seiten.)