Sonstiges
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- 8.3: Reisebericht.
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- 8.3.6: PERU.
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- 8.3.13: zurueck in BOLIVIEN.
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- 8.3.22: MEXIKO (Forts.).
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- 8.3.24: Mexiko-Stadt.
- 8.3.25: Letzte Seite.
- 8.4: Karikaturen.
Bei Luis Zambrano, Pfarrer in Juliaca
Juliaca war etwas ganz Besonderes. Wir waren schon einmal durchgefahren Mitte November auf dem Weg von Puno nach Cusco. Die Stadt erschien uns eigenartig, mit nur einer asphaltierten Durchzugsstrasse, die anderen Strassen der Viertel ausserhalb des Zentrums sind keine Strassen im europaeischen Sinn. Dementsprechend staubig ist fast die ganze Stadt. Die Haeuser haben im Erdgeschoss keine Fenster (das ist zu gefaehrlich), meist gibt es keinen ersten Stock, sondern es ragen nur die meterhohen Eisenstangen in die Luft, fuer den Fall, dass man einmal Geld hat um ihn zu errichten.
So wirkt Juliaca, mit 300.000 Einwohnern, wie im Aufbau stehengeblieben.
Durch Mechthild hatten wir die Mailadresse von Padre Luis Zambrano, der 1977 bis 81 in Innsbruck (dann in Tuebingen) studiert hatte und seit Jahren die Pfarre “Pueblo de Dios†in Juliaca leitet. Auf unser Mail hin bot er uns an, im Pfarrhof zu wohnen, und wir kamen am Samstagabend (2. 12.) dort an. Luis war gerade bei den letzten Vorbereitungen fuer die Firmung von 50 Jugendlichen am darauffolgenden Tag. Danach kochte er fuer uns und sich (wie dann eine Woche lang dreimal taeglich) ein wunderbares Essen.
Am Sonntag kam dann vormittags der Bischof von Puno (der Mauricio und elf andere aus dem kirchlichen Radiosender entlassen hatte – siehe oben Kapitel “PERUâ€) zur Firmung. Am Nachmittag war die Messe zum ersten Adventsonntag mit einer anschliessenden Tombola, bei der acht Hauptpreise (erster war ein Fahrrad mit Riesenteddybaer) und eine Unmenge von “Trostpreisenâ€, vor allem Kleidungsstuecke, verlost wurden. Auf diese Art – zB auch mit der Herstellung von Karamellbonbons, dessen Rezept Luis aus Deutschland hat – versucht er die Pfarre mitzufinanzieren, weil er es ablehnt, fuer kirchliche Taetigkeiten von den meist armen Leuten fixe Preise zu verlangen, wie es in ganz Amerika ueblich ist.
Am Montag holte ihn ein Auto der Pfarre von Moho ab, die keinen eigenen Pfarrer hat und die von einer Salesianer-Schwester und zwei Laien betreut wird. Luis hat uns wie immer, wenn es in dieser Woche moeglich war, mitgenommen. Moho liegt auf der Ostseite des Titicaca-Sees, dort wurde das Fest der Hl. Barbara gefeiert, und in die zweihundert Jahre alte sehr schoene Kirche kamen tausend Indigenas, die ihre Feldfruechte und Blumen weihen liessen. Es waren hauptsaechlich Aymara – die auf dieser Seeseite die ueberwiegende Mehrheit sind - und einige Quechua. (Dies wissen wir deswegen, weil Luis in seinen Messen und anderen Feiern die Menschen moeglichst einbezieht und auf die Wichtigkeit und Schoenheit ihrer Sprache und Kultur hinweist. Dies ist wegen des Minderwertigkeitsgefuehls, das ihnen die Spanier seit Jahrhunderten einimpften, und wegen des Rassismus ungeheuer wichtig.) Die Figur der Hl. Barbara wurde ebenfalls mit Feldfruechten und Blumen geschmueckt und behangen. Die Frauen sassen in drei Reihen links und zwei rechts am Boden in der Kirche, die Maenner standen dahinter oder musizierten vor der Kirche (mit Floeten – der Quena - und Trommeln) und tranken teilweise Alkohol, was auch zur kultischen Handlung gehoert. Frauen und Maenner tauschten Kokablaetter (als Zeichen der Verbundenheit) und kauten sie, wie es hier ueblich ist. Nach der Messe und der Weihe wurde die Statue der Barbara in einer Prozession um den Hauptplatz vor der Kirche getragen. Das Bild der tausend Frauen und Maenner, die die Produkte ihrer Feldarbeit in ihren bunten Tuechern am Ruecken trugen, war ungeheuer beeindruckend, wie ueberhaupt die Stimmung der gesamten Zeremonie.
Auch zu einer Totenfeier von Aymara in der Nachbarschaft der Kirche hat uns Luis mitgenommen und zu einer Krankensalbung eines Busschaffners, dessen Bus einen Unfall hatte und der nun mit einem komplizierten Beinbruch ohne Einkommen und Krankenversicherung in seinem Haus lag. Die Toten werden in Juliaca noch zuhause aufgebahrt und so erlebten wir eine sehr beruehrende Verabschiedung von einem Familienmitglied. Da eine neue Fluglinie von Lima nach Juliaca aufgenommen wurde, nahm Luis die Einladung an, diese einzuweihen, und so waren wir auch bei den VIPs dieser Feier.
Neben diesen und noch anderen Aufgaben nimmt Luis zweimal pro Woche ein fuenfminuetiges Tonband auf fuer seine Sendung in Radio Pachamama (siehe oben Kapitel “PERUâ€; auch im Internet zu hoeren am Mittwoch und Freitag 7 Uhr, in Oesterreich muesste das 13 oder 14 Uhr sein) und einmal pro Woche kommen Fernsehleute und nehmen ihn fuer eine aehnliche Sendung auf.
Im grossen Pfarrhof sind staendig viele Leute anwesend, die die Raeumlichkeiten und den Innenhof fuer Versammlungen, religioese Gespraechskreise oder Feiern nuetzen. Auch in der Kirche fanden in dieser Woche mehrere Taufen und Erstkommunionen und Vorbereitungskurse darauf statt.
Ein Hausmeister bzw. Mesner, ein Sekretaer und viele Freiwillige unterstuetzen Luis dabei. Unter den Freiwilligen sind auch viele Jugendliche, und es war fuer uns ungeheuer schoen, mit vielen von ihnen ins Gespraech zu kommen, wie es offenbar auch fuer sie interessant war, sich mit zweien aus Europa ueber alles Moegliche zu unterhalten. Zum ersten Mal seit unserer Abreise aus Montevideo waren wir nicht nur Touristen und konnten ein bisschen am Leben der Menschen dieser Stadt teilnehmen.
Vor allem aber war es schoen, jemanden wie Luis in seinem Arbeits- und Lebensbereich kennen zu lernen.
Seine Dissertation befasste sich schon mit der “Volkskirche†Lateinamerikas und er veroeffentlicht immer wieder Artikel in Zeitschriften und wissenschaftlich-theologischen Publikationen. Dabei legt er – wie ja auch durch seine pastorale Taetigkeit - seine Sicht der kirchlichen Aufgaben in Lateinamerika dar, die kontraer ist zu der des Vatikans und der meisten peruanischen Bischoefe. Gerade die Besetzungspolitik des jetzigen und des letzten Papstes sind in seinen Augen eine Katastrophe fuer die Kirche Lateinamerikas. Ueber den Bischof von Puno haben wir schon oben geschrieben, kuerzlich wurden die Bischofsitze von Juli und Ayaviri (beide sind Nachbardioezesen) mit je einem Kandidaten von Opus Dei und Sodalitium (laut Luis noch schlimmer als Opus Dei) besetzt.
In einem seiner Artikel schrieb er, er sei ein Mestize mit der Seele eines Indios. Aehnliches drueckte er auch in dem Gedichtband “Viejas Raices / Alte Wurzeln†aus (von Brunhilde Sagmeister uebersetzt, 2. Auflage 1991 von Sagmeister/Baenzinger in der Schweiz herausgegeben und bei Augustin in Innsbruck gedruckt; unten zitiertes Gedicht S 82):
BEI IHNEN ALLEN BLEIBE ICH
Es sind viele,
es sind Hundete,
es sind ist ein ganzes Heer von Hungernden,
obschon sie der Welt Nahrung geben.
Es sind viele,
es sind Tausende,
sie fuellen Felder und Staedte,
aber man treibt sie weg wie Hunde.
Es sind viele,
es sind Hunderttausende,
die anderen verweigern ihnen das Brot der Bildung,
aber in ihnen keimt das Wissen eines ganzen Volkes.
Es sind viele,
es sind Millionen,
Sturzbaechen gleich kommen sie von den Bergen zu Tal,
ueberwinden Entfernungen und naehren den Samen
der Blume, die seit Jahrhnderten ihrem ersten Fruehling entgegentraeumt.
Es sind viele,
es sind unzaehlige Millionen,
mein Vater verstand es, sie zu lieben,
mein Grossvater teilte ihre Sorgen,
und ich, der diese Zeilen schreibt,
bei ihnen, bei ihnen allen bleibe ich!
(ins Netz gestellt in La Paz am 19. 12. 06)