Sonstiges
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PotosÃÂ, La Higuera und Sucre
Die heutige Stadt Potosàliegt auf 4000 m, dahinter erhebt sich der Cerro Rico, der Reiche Berg, der heute statt der 4800 nur mehr 4500 m hoch ist, weil hier seit ueber 450 Jahren im Tagbau und in Stollen vor allem Silber und Zinn abgebaut werden. Frueher war es Gestein mit ungeheuer hohem Silbergehalt (das Schwazer Bergwerk verlor damit Mitte des 16. Jahrhunderts seine Bedeutung), im 18. Jahrhundert waren die Vorkommen dieses Metalls fast vollstaendig ausgebeutet. Im 19. Jahrhundert begann aber der Abbau von Zinnerz, mit dem die legendaeren Zinnbarone reich wurden. (Auf ihr Geld hatten es Butch Cassidy und Sundance Kid abgesehen, die in der Gegend um Tupiza und Uyuni Zuege und andere Geldtransporte ueberfielen.) Heute arbeiten noch 15 bis 20.000 Bergleute in und auf dem Cerro und holen taeglich 4000 t Material heraus. Ihre Lebenserwartung ist - vor allem wegen der Silicose, der Staublunge - 46 Jahre gegenueber 61 Jahren bei staedtischer Bevoelkerung in Bolivien, aber der Verdienst ist relativ gut. Eine Kommission wird gerade zusammengestellt, die die unzaehligen Stollen vermessen und Plaene fuer einen geordneten weiteren Abbau erstellen soll; die Spitze des Berges darf nicht mehr abgegraben werden.
Eine Fahrt mit dem Taxi ungefaehr bis auf die mittlere Hoehe des Cerro und einer kompetenten Fuehrerin war ungeheuer eindrucksvoll. (Inbegriffen war auch eine Sprengdemonstration mit Dynamit, das wir um etwas mehr als 1 Euro im Mercado de los Mineros am Fuss des Berges erstehen konnten.)
Aber das Ungeheuerliche an diesem Berg liegt in der Geschichte. Im Museum der Casa Real stand zu lesen, dass die praekolumbianische indigene Bevoelkerung den Silbergehalt des Berges wahrscheinlich kannte (es lag ja offenbar auch offen herum), ihn aber aus religioesen Gruenden nicht nutzte. Die Quechua nannten ihn Sumac Orcko, den wunderbaren oder heiligen Berg. Den Spaniern war er jedoch nicht heilig, im Gegenteil. Die Fuehrerin am Cerro zeigte uns einen Stolleneingang aus der Kolonialzeit mit schoen gemauertem Eingangsbogen, dahinter war noch das Eisengitter erhalten: Da die Qechua und Aymara nicht freiwillig fuer die Besatzer arbeiteten, sperrten sie sie unter unglaublich brutalen Bedingungen im Berg ein. In der "Hochbluete" des solcherart betriebenen Bergbaus starben taeglich zwei- bis dreitausend Indigenas, Schaetzungen gehen davon aus, dass insgesamt 8 Millionen Menschen im Cerro Rico dadurch umkamen. (Siehe Eduardo Galeano, Die offenen Adern Lateinamerikas.) Mit ihrem Leben und dem von ihnen aus dem Berg gehauenen Silber erarbeiteten sie zwangsweise einen Teil des europaeischen Reichtums und damit finanzierten sie unseren wirtschaftlichen Aufschwung (die industrielle Revolution) mit und die weitere Ausbeutung ihres Kontinets durch die Europaeer - die offenen Adern Lateinamerikas. (Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts geschahen dieser ungeheure Raub und dieser Massenmord unter der Oberhoheit der spanischen Habsburger.)
Diese brutale Ausbeutung wurde und wird bis heute - mit etwas anderen Mitteln - fortgesetzt. 1994, beim Beginn des zapatistischen Aufstands in Chiapas, dem aermsten Bundesstaats von Mexiko, beschrieb Subcomandante Marcos dies folgendermassen: "Chiapas verblutet auf tausend Wegen: Oel- und Gaspipelines, Stromleitungen, Eisenbahnwagen, Bankkonten, Last- und Lieferwagen (...). Dieses Land zahlt den Imperien weiterhin seinen Tribut: Oel, elektrische Energie, Vieh, Geld, Kaffee, Bananen, Honig, Mais, Kakao, Tabak, Zucker, Soja, Sorghum, Melonen, Mamey, Mango, Tamarinde, Avokados und chiapanekisches Blut fliessen durch die tausendundeinen, in der Gurgel des mexikanischen Suedostens geschlagenen Reisszaehne der Pluenderung. Millionen Tonnen an Rohstoffen werden zu den mexikanischen Haefen, den Eisenbahn-, Flug- und Lastwagenterminals geschafft. Es gibt viele Bestimmungsorte - USA, Kanada, Holland, Deutschland, Italien, Japan -, aber ein einziges Ziel: das Imperium. Der Anteil, den der Kapitalismus dem Suedosten abverlangt, versickert wie von Anfang an in Blut und Schlamm. Eine Handvoll Kaufleute, unter ihnen der mexikanische Staat, holen sich aus Chiapas den ganzen Reichtum und hinterlassen eine toedliche, stinkende Spur: 1989 waren es 1.222,6 Milliarden Pesos (490 Mio. US-$), die sich die Bestie in Chiapas einverleibte; verteilt wurden per Kredit und Leistungen aber nur 616,3 Milliarden Pesos. Mehr als 600 Milliarden verschwanden im Bauch der Bestie.
In den chiapanekischen Boeden (...) stecken 86 Foerdertuerme der Pemex, die taeglich 92.000 Barrel Oel und 19 Milliarden Kubikmeter Gas aus der Erde saugen. Im Tausch hinterlassen sie den kapitalistischen Stempel: oekologische Zerstoerung, Landvertreibung, Hyperinflation, Alkoholismus, Prostitution und Armut. (... Pemex-Teams faellen Baeume) und Sprengstoffexplosionen hallen in Gegenden wider, wo es den Bauern verboten ist, Baeume zu faellen, um zu saehen; mit jedem Baum, den sie schlagen, riskieren sie eine Strafe von zehn Mindestloehnen und Gefaengnis." (zit. nach: Subcomandante Marcos, Botschaften aus dem lakandonischen Urwald. Nautilus 2005, S 19ff)
100.000 t Kaffee werden exportiert, 1988 um einen Preis von durchschnittlich 8000 Pesos pro Kilo, den chiapanekischen Produzenten blieben 2500, oft auch weniger. Die Kuehe werden den verarmten Bauern zu 2400 Pesos das Kilo abgeluchst und von den Zwischenhaendlern teilweise um das Zehnfache weiterverkauft etc. etc. (ebenda 20f).
Etwa 450 km oestlich von Potosàliegt La Higuera, wo der Che von bolivianischen Militaers gefangen genommen und unter Anwesenheit eines CIA-Agenten im Oktober 1967 erschossen wurde. Was wollten der Che und die Guerilleros in der Gegend von La Higuera anderes, als die Marginalisierten Lateinamerikas aus den unzaehligen finsteren Schaechten und Stollen des Cerro Rico zu befreien und ihnen einen gerechten Anteil an den Reichtuemern des Kontinents zukommen zu lassen, damit auch sie ein Leben in Wuerde fuehren koennen?
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In Sucre, wo wir seit vier Tagen sind, werden drei- bis siebentaegige Che-Guevara-Touren fuer 100 Euro pro Tag und Person angeboten. Dies erschien uns jedoch - abgesehen von budgetaeren Ueberlegungen - nicht als die adaequate Art der Annaeherung an La Higuera, und so versuchten wir es auf andere Weise. Wie den kargen Informationen des Reisefuehrers und den schlechten Karten, die wir auftreiben konnten, zu entnehmen war, muss der Ort in einem Umkreis von 70 km um Villa Serrano liegen, wohin wir mit einem lokalen Bus fuhren. Nach fuenf Stunden Fahrt - wieder ueber holprige Strassen und Paesse - erfuhren wir, dass La Higuera von Serrano aus nur sehr schlecht und in acht Stunden weiterer Fahrt im Taxi erreichbar waere. So gaben wir dieses Projekt auf und fuhren mit dem Bus am Nachmittag wieder nach Sucre zurueck.
Sucre liegt 150 km entfernt von Potosàauf 2800 m, hat ein sehr angenehmes Klima und einen gut erhaltenen grossen kolonialen Stadtkern. Seit der Unabhaengigkeit Boliviens 1825 ist es Hauptstadt, allerdings uebersiedelten Parlament und Regierung nach La Paz, allein der Oberste Gerichtshof blieb, und Sucre ist damit nur noch nominell die Hauptstadt. Fuer Gringos laesst es sich hier gut leben, aber wir machen uns morgen auf den Weg ueber Cochabamba und La Paz Richtung Cuzco, Peru. An den Lago Titicaca und nach La Paz werden wir zurueckkommen, da wir von hier am 20. Dezember einen Flug nach Kuba gebucht haben.
Das naechste Mal melden wir uns also aus den Bergen des peruanischen Suedostens.
Hasta luego! 7. 11. 06