„Das Zauberwort heißt Schulautonomie“
Zu den Koalitionsverhandlungen zum Thema Bildung und Verwaltungsreform
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„Das Zauberwort heißt Schulautonomie“
Zu den Koalitionsverhandlungen zum Thema Bildung und Verwaltungsreform
Der KURIER (20., 22.10.) wurde darüber vor-informiert, dass „Schulautonomie“ allen Schulreform-, Gesamtschul-, Ganztagsschul- und Schulverwaltungsstreit zwischen SPÖ und ÖVP vergessen lassen wird. “bildung.grenzenlos“ bereitet mit der WKO während der Regierungsverhandlungen eine Veranstaltung über „Schulautonomie als Chance“ vor:
Es schaut so aus, als könnte Autonomie tatsächlich das alles überstrahlende Bildungsthema für die neue Bundesregierung werden. Ob es unverbindlich-unklar bleibt und zum Allerwelts- und Alibi-Thema wird, hinter dem sich der Status quo des sozial selektierenden Bildungssystems noch einmal gut behaupten kann, das liegt an Werner Faymann und seinem Team. Bundes-ÖVP und machtbewusste Landeshauptleute werden mit Sicherheit alles versuchen, damit sie weiterhin freihändig und unkontrolliert über vom Bund bezahlte LandeslehrerInnen verfügen können, in guter Partnerschaft mit „ihren“ GÖD-Gewerkschaftsfreunden (meist männlich).
„Wird Autonomie zum neuen Zauberwort im Schul-Streit?“ (KURIER.at, 22.10.2013)
Die neue Autonomie der Schulen ist bisher nicht definiert, nur von „Personalhoheit der DirektorInnen“ (nur der Bundesschulen? aller Schulen bzw. Kleinschul-Verbünde?) ist wieder einmal die Rede. Mit so einer „Autonomie“ könnten die schwarzen Machterhalter und vermutlich auch einige der SPÖ-VerhandlerInnen recht gut, das Nebeneinander der weiterhin letzt-entscheidenden Bundesschul- und Landesschulverwaltungen bliebe unangetastet. Das Abschaffen der Bezirksschul-InspektorInnen könnte ebenfalls als große Schulverwaltungsreform verkauft werden, die Stadt-/Landesschulräte hießen dann Bildungsdirektion mit, wie gehabt, Pflichtschulen in Landes-, mittlere und höhere Schulen in Bundeskompetenz.
Die von SPÖ-Ministerin Schmied seit 2007 angestrebten und von der SPÖ halbherzig bis gar nicht unterstützten Bildungsreformen (Gesamtschule/NMS, universitäre PädagogInnenausbildung aller LehrerInnen, einheitliches Dienstrecht) sind im Ansatz stecken geblieben. Gusenbauer und Faymann haben vorauseilende Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner ÖVP geübt, daher konnte in der Schulverwaltung alles beim Alten bleiben. Nicht die Ministerin ist da gescheitert, sondern die SPÖ als Bildungsbewegung. Aus der neuen Gesamtschule NMS wurde eine weitere neue Hauptschule. Die universitäre PädagogInnenausbildung aller LehrerInnen blieb eine getrennte Ausbildung an PH (für APS-BS-Ldw.-LandeslehrerInnen und fachpraktische BundeslehrerInnen) oder an Uni (für AHS-BMHS-BundeslehrerInnen, mit wenigen Ausnahmen) ohne Kooperationspflicht für Uni und PH, allerdings soll Kooperation - wenn in einer Region erwünscht - ermöglicht werden. Das dürfte die Ausnahme bleiben, weil die PH zwar ein universitätstaugliches Dienstrecht bekamen, aber nachgeordnete „Hochschulen“ des BMUKK im Einflussbereich der Landesschulbehörden geblieben sind, während die beim BMWF ressortierenden Universitäten bzw. Fachhochschulen auf ihre Autonomie pochen, und auf die fehlende Augenhöhe der PH. Logische Konsequenz des unveränderten Status quo war der im Wahlkampf und ohne Einigung mit der GÖD ausgeschickte LehrerInnen-Dienstrechtsentwurf. Er wurde in der Begutachtung von mehr als 1600 betroffenen LehrerInnen, von GÖD, ÖGB, von ÖLI-UG, von Caritas, Rechnungshof, WKO, IV und vielen anderen massiv kritisiert. Der Entwurf widerspricht den ArbeitnehmerInneninteressen der LehrerInnen, entspricht allerdings dem ÖVP-Bestemm auf gesondertes Bundes- und Landesdienstrecht und dem unverändert restriktiven Budgetfahrplan der Bundesregierung.
Schulverwaltungsreform als Schlüsselfrage
Vor dem Hintergrund der Regierungsjahre 2007-2013 geht es bei den Koalitionsverhandlungen um eine strategische Entscheidung, auch um die Glaubwürdigkeit der SPÖ und ihrer im Wahlkampf plakatierten Bildungs- und ArbeitnehmerInnenpolitik. Das Fortsetzen der von den WählerInnen und NichtmehrwählerInnen gerade erst abgestraften taktischen Kurzzeitpolitik dürfte aber einigen der verhandelnden Personen näher liegen. In der „Schulautonomie“ sehen sie womöglich eine Chance, Konflikte mit dem Koalitionspartner mittels einer Leerformel aufzuweichen. Der Schaden für Kinder, Jugendliche, Eltern, LehrerInnen, für die soziale, demokratische und volkswirtschaftliche Zukunft spielt in der Jetztzeit der Partei- und Tagespolitik eine untergeordnete Rolle. Wenn die Interpretation dessen, was mit „Schulautonomie“ gemeint ist, dem Belieben des Koalitionspartners und der landes-parteipolitischen Hardliner überlassen wird, wenn die BildungsministerInnen (wie seit Gehrer) restriktive Bildungsbudgetpolitik umzusetzen haben, bedeuret „Schulautonomie“ weiterhin Mangelverwaltung, die Verantwortung dafür haben schwarz-blaue und rot-schwarze Regierung an die Schulen delegiert. Damit Eigenständigkeit und Eigenverantwortung am Schulstandort nicht wieder zu Mogelpackung und Etikettenschwindel wird, sondern als demokratische Schul- und Verwaltungsreform gelingen kann, braucht es begleitende Reformen. Bildungs- und budgetpolitische Auseinandersetzung, Sachargumente, Information und Mobilisierung der Betroffenen sind notwendig.
Schulautonomie braucht:
+ SCHULVERWALTUNGSREFORM, die die Doppelverwaltung von Bundes- Landesschulbereichen aufhebt (vgl. RH, AG Konsolidierung 2009, Einstimmigkeit im Verfassungs-Unterausschuss...) und die DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG ALLER SCHULEN verwirklicht, d.h. „Umsetzungskompetenz“ zur Realisierung des gesetzlichen Bildungsauftrages , transparente und ausreichende Ressourcenzuteilung nach Bundesrichtlinien, Entscheidung über Ressourcen- und Personaleinsatz an der Schule. GELEBTE DEMOKRATIE AM SCHULSTANDORT durch Wahl der Schulleitung [die von Bundesbehörde nur auf Rechtskonformität geprüft wird?], die den wahlberechtigten SchulpartnerInnen [+ GemeindevertreterIn=Schulerhalter?] zur Rechenschaft verpflichtet ist, ebenso wie dem BMUKK bzw. dessen nachgeordneter, die Schulen unterstützenden Landes-Bildungsdirektion).
+ PVG-REFORM - PERSONALVERTRETUNG an jeder Schule/jedem Schulverbund, auch im Pflichtschulbereich, auf Augenhöhe mit der Schulleitung, im Konfliktfall kein Instanzenweg, sondern direkte Konfliktlösung durch verwaltungsgerichtliche Instanz (vgl. Arbeitsgerichtsentscheid bei Konflikten Betriebsrat-Firmenleitung binnen 6 Wochen)
+ bundes-einheitliche REGELUNG ÜBER SCHULBAU, ERHALTUNG, AUSSTATTUNG [durch Gemeinde-BIG-Kooperation? durch Gemeinden? Bundesunterstützung für wirtschaftlich schwache Gemeinden? …]
+ einheitliches PÄDAGOGinnEN-DIENSTRECHT mit BESCHREIBUNG der AUFGABEN, entsprechender JAHRESARBEITSZEIT, GEHALTSREGELUNG für alle LehrerInnen, ohne Jahresarbeitszeiterhöhung + unter Einschluss der SonderpädagogInnen, FreizeitpädagogInnen, BibliothekarInnen/KulturvermittlerInnen, des medizinischen, psychologischen, sozialpädagogischen Personals als Teil des PädagogInnenteams einer Schule. [wenn das noch die alte Regierung in den neuen Nationalrat bringen will, dann müsste wenigstens die Arbeitszeiterhöhung fallen [Jahresarbeitszeitmodell statt nur Unterrichtsstundenzählen, Arbeitszeit auch nicht über Zulagen erhöhen] und mit der Aufhebung des Aufnahmestopps [Verwaltung, …] verbunden werden.
+ AUFHEBUNG DES ANSTELLUNGSSTOPPS IM SCHULBEREICH für die Bereiche Schulpsychologie, Sozialarbeit, Sonder- Freizeitpädagogik, u.a. (entsprechend ihrer Qualifikation könnte diese Personengruppe nicht-unterrichtliche LehrerInnentätigkeiten übernehmen.) Verwaltungspersonal ist zur Unterstützung der Schulleitungen insbesondere im dzt. Landesschulbereich dringlich.
+ AUSREICHENDE FINANZIERUNG ALLER BILDUNGSREFORMEN: Das „Argument der leeren Kassen“ war in den letzten Jahren das wirksamste Schlagwort von Reformgegnern, weil es auch reform-interessierte KollegInnen aufgrund ihrer Gehrer/Grasser/Schüssel-Erfahrungen angenommen haben, Resignation statt Reformbegeisterung.
Für die SPÖ und andere ArbeitnehmerInnen-Vertretungen könnte die Bildungsfrage ein weiteres Argument für vermögensbezogene Steuern sein, es ist hohe Zeit, dass endlich ein „BILDUNGSRETTUNGPAKET“ mit seiner demokratischen, individuellen und volkswirtschaftlichen Bedeutung den Bankenrettungspaketen gegenübergestellt wird.
(26.10.2013)
Barbara Gessmann-Wetzinger, Wilfried Mayr, Gary Fuchsbauer, Reinhart Sellner
parteiunabhängige GÖD- und LehrerInnengewerkschafter,
a(at)oeli-ug.at, 0680 2124358