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14.12.2024 : 23:18 : +0100

Fortbewegung - Nächtigung - Essen & Trinken - Politische Situation

Busstopp zwischen Arequipa und Juliaca
Parlament in La Paz
Vor der Abreise

Fortbewegung

Wir waren also fünfeinhalb Monate unterwegs, hauptsächlich mit Reisebussen, die meistens recht komfortabel waren, mitunter aber auch abenteuerlich, vor allem in Bolivien und Peru. Erst gegen Ende unseres Aufenthalts in Peru, Anfang Dezember in Juliaca, sagte uns Luis, dass sehr viele Unfälle passieren mit Bussen in den beiden Ländern und man darauf achten sollte, mit welchem Unternehmen man fährt. Er teilte uns per Mail mit, welches das sicherste für die Strecke Arequipa – Juliaca sei, aber wie man sonst an solche Informationen käme, wissen wir nicht. In der Zeit, als wir dort waren, gab’s den Vorschlag der Regierung, Busse zu verbieten, bei denen ein Bus-Chassis auf das Fahrgestell eines LKW montiert wird, was mehr Sicherheit brächte, leider aber auch die Fahrpreise erhöhen und den großen Unternehmen nützen würde. In ganz Lateinamerika (zumindest in den uns bekannten Teilen) ist der öffentliche Verkehr privatisiert und wird von vielen Unternehmungen organisiert. Eisenbahnen gibt es kaum mehr, von Ort zu Ort kann man mit Kollektiv-Taxis, Bussen oder Flugzeug kommen. Für die Busse gibt es meist Bahnhöfe, wo man sich bei den verschiedenen Schaltern der Firmen nach einer passenden Verbindung umschaut. Für die gängigen Strecken gibt es dazu Informationen in den Reiseführern, selten am Busbahnhof selbst. Abgesehen von stundenlangen holprigen Bergstrecken in Bolivien haben wir das Busfahren als angenehm empfunden.

Man/frau kann auch in Kuba mit öffentlichen Fernbussen unterwegs sein, Ines ist quer durch die Insel bis Santiago gefahren. Wir hatten aber, um mobiler zu sein, zweimal für fünf bzw. drei Tage ein Auto gemietet.

 

Nächtigung

Insgesamt fünf Wochen konnten wir bei Freunden wohnen, die meiste Zeit nächtigten wir in Hotels, die Woche in Guadalajara in einer Mietwohnung, die wir mit vier anderen teilten, in Kuba eine Woche in verschiedenen „Casas particulares“, wie dort die Privathäuser, die Zimmer vermieten, heißen und die teilweise recht luxuriös sind und viel weniger kosten als die Hotels.

Von den Hotels suchten wir nicht die billigsten auf, nahmen aber sehr selten teure, immer hatten wir jedoch eigenes Bad & WC, dreimal mit Swimmingpool, meist waren sie „einfach, aber sauber“, oft mit TV, was nicht nur angenehm ist, sondern auch landeskundliche Einblicke erlaubt. (Im Vergleich schneiden deutschsprachige Sender gut ab.) Wir haben’s nicht ausgerechnet, aber im Schnitt zahlten wir für Doppelzimmer wohl so um 20 Euro.

 

Essen & Trinken

Natürlich erfreuten wir uns an der Küche des jeweiligen Landes, das Essen in Mexiko hat uns schon bei unserem letzten Aufenthalt begeistert. Überraschenderweise gab’s in Peru, dem Ursprungsland der Kartoffel, kaum Gerichte damit. Immer wieder war uns nach Pizza und Spaghetti, was in allen Ländern sehr oft angeboten wurde und meist auch schmeckte.

Man kann sehr billig und gut an den Straßenständen essen, was wir aber aus Vorsicht nur selten taten. Wir gingen meist in Restaurants, und wenn’s das gab, in die, wo TouristInnen hingehen. Rohes Obst und Gemüse aßen wir nur, wenn es geschält werden konnte, Speiseeis trauten wir uns nur in Kuba zu genießen.

Zu trinken gibt’s überall wunderbare Fruchtsäfte und Bier (das mexikanische Corona ist ja bei uns auch modern), Wein ist nicht immer zu bekommen und oft recht teuer. Unsere Entdeckung letztes Mal war der Tequila Sunrise, diesmal Pisco saur in Peru, eine Mischung aus Grappa (= Pisco), geschlagenem Eisweiß und Limettensaft, die auch sehr attraktiv aussieht. In Kuba trank frau viel Mojito.

 

Bemerkungen zur sozialen und politischen Situation

In Lateinamerika ist viel augenfälliger als bei uns, was das Ergebnis der Politik ist: die Reichen werden reicher, und das passiert ja nicht zufällig. Auch PolitikerInnen wie zB die mexikanischen Präsidenten (und deren Familien) bedienen sich dabei in unverschämtester Weise. Da das Volkseinkommen nicht im gleichen Ausmaß steigt wie die Kontostände der Oberschicht, heißt das, dass die Armen ärmer werden müssen, und diese Politik wird mit ungeheurer Arroganz und Brutalität durchgesetzt. (Zur Menschenrechtssituation in Mexiko siehe oben die Seite „Oaxaca“.) Während die mexikanischen Zeitungen  Anfang März voll waren mit Berichten von Massenprotesten gegen die stark gestiegenen Lebensmittelpreise, vor allem für das wichtigste Volksnahrungsmittel Tortilla, wurde auch die Forbes-Liste der Reichsten der Welt publiziert. Der Mexikaner Carlos Slim ist der drittreichste und sein Geld wuchs am schnellsten: 2004 lag Slim noch an 17. Stelle mit 14 Mrd. US-$, 2005 an 4. Stelle mit 24 Mrd., 2006 an 3. mit 30 Mrd. Telefonieren ist in Mexiko teuer, weil die Telmex quasi ein Privatmonopol hat, und so wird, abgesichert durch entsprechende Gesetze, Geld von den telefonierenden MexikanerInnen zum drittreichsten Menschen der Welt, der die Mehrheit an Telmex hält, umverteilt. Man kann sich vorstellen, welche PolitikerInnen von Slim und anderen, zB den Medienkonzernen, unterstützt und gefördert werden. Es sind wahrscheinlich dieselben PolitikerInnen, die zB in Chiapas und Oaxaca paramilitärische Gruppen finanzieren und ausbilden lassen, welche dann im Interesse der Großgrundbesitzer Indigenas bedrohen, foltern und umbringen.

Laut der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und der Karibik leben über 200 der 500 Millionen Menschen des Kontinents unter der Armutsgrenze, 100 in extremer Armut (Standard vom 15. 5. 06). Óscar, der Direktor von IMDEC (siehe oben die Seite „Guadalajara“), sagte, dass im letzten Quartal  der „Basiswarenkorb“ der mexikanischen Bevölkerung, also die Produkte und Dienstleistungen, die man zum (Ãœber-)Leben braucht, um 40 Prozent gestiegen sei, die Löhne hingegen im letzten Jahr um 3 bis 4 Prozent. Regierung und Zentralbank verschleiern dies mit geschönten und gefälschten Statistiken, auch mit dem offiziellen Inflationswert, der Dienstleistungen und Produkte hineinrechnet, deren Kauf sich die Mehrheit der MexikanerInnen nicht leisten kann. Die Regierung stellt das Land so dar, als ob es zu den reichen Ländern gehören würde, und verschweigt die neben wirtschaftlichen Erfolgen existierende massenhafte Armut. Dies führt dann unter anderem dazu, dass eine niederländische NGO, die jahrzehntelang einen Großteil der IMDEC-Arbeit finanziert hatte, ausstieg, weil andere Länder dringender Entwicklungshilfe brauchten. Die Reichen sind reicher geworden, aber die Armen ärmer.

In Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, leben 5,2 % der Menschen in Armut, 1 Million ist armutsgefährdet (Kurier 1. 5. 07). Im Kurier vom 27. April 07 war ein Diagramm abgedruckt, das die Kurve der Entwicklung der Lohnquote in Österreich zeigte. Demnach sank zwischen 1999 und 2006 der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen von über 62 auf 56,0 %, aber die wenigsten LohnempfängerInnen werden im Ausgleich dafür AktienbesitzerInnen geworden sein. Die sozialdemokratische Politik vor 2000 war leider auch nicht anders.

Eine Poltik, die – so hoffen wir wenigstens – in eine andere Richtung geht, wird von den regierenden MAS-PoltikerInnen in Bolivien versucht (MAS = Movimiento al Socialismo). Mit Evo Morales war im  Jänner 2006 erstmals ein indigener Präsident an die Spitze eines der ärmsten Länder Lateinamerikas gewählt worden, er war Koka-Bauer und kommt aus der Gewerkschaftsbewegung. Schon vor einem Jahr war die Rückführung der bolivianischen Gasfelder in Staatsbesitz Thema in österreichischen Medien. Bilder von Soldaten, die Gasfelder besetzen, gingen um die Welt. (Der damalige EU-Ratsvorsitzende Schüssel hatte dem Präsidenten Boliviens über internationale Medien ausrichten lassen, er solle ja den Privatbesitz achten.) Die Regierung von Morales handelte mit den Gasfirmen, die jahrzehntelang überdurchschnittliche Gewinne gemacht hatten, 44 neue Verträge über die Nutzung der Gasfelder aus. Sie sollten nun 82 % des Gewinns an den Staat überweisen statt der  18 % von vorher. (Die neuen Bedingungen entsprechen also ungefähr denen, wie sie zB in Norwegen üblich sind.) Die spanisch-argentinische Firma Repsol war davon betroffen und was wir während des Verhandlungsabschlusses in argentinischen Tageszeitungen darüber lasen (da befanden wir uns gerade auf dem Weg nach Bolivien), war wohlwollend positiv. Der Kommentar von Condoliza Rice dazu, geäußert in einem Interview mit einer texanischen Zeitung, der in bolivianischen Medien zitiert wurde: „Die Nationalisierung (der Gasfelder) war das Unglücklichste, was dem bolivianischen Volk passieren konnte.“ La Razón aus La Paz brachte am 11. November 06 eine Karikatur, in der einer von drei dicken Männern mit dem Dollar-Zeichen auf den Zylindern sagt: „Sie werden nicht wissen, was sie mit dem vielen Geld anfangen können.“ Der Correo del Sur aus Sucre hatte am 5. November Umfrageergebnisse veröffentlicht, nach denen 83 % der BolivianerInnen für diese Verträge waren und 10 % dagegen.

Während wir Ende November in Peru waren, wurde im bolivianischen Senat über ein Gesetz zur Enteignung brachliegenden Landes aus Großgrundbesitz und dessen Verteilung an landlose Bauern abgestimmt. Im Hotelzimmer in Mollendo sahen wir den mehrstündigen Abstimmungsvorgang im Senat, der im bolivianischen Staatsfernsehen übertragen wurde, und die anschließende Unterzeichnung des Gesetzes im Präsidentenpalast. Die Zeremonie geriet zu einem Festakt mit vielen Menschen und Ansprachen. Auf der Plaza Morillo vor Palast und Parlamentsgebäude hatten sich seit Tagen Indigenas versammelt, um Druck zur Verabschiedung dieses für sie überlebenswichtigen Gesetzes zu machen. Es war ein erhebendes Gefühl, den Akt im Nachbarland im Fernsehen live mitzubekommen.

 

Mit diesem positiven Ausblick beenden wir unsere Berichte. Wir hoffen, dass es in ein paar Jahren wieder welche geben wird. Bis dahin:

Adios!

Christian und Ulla                            Walpurgisnacht 2007, ergänzt am 3. Mai