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13.11.2024 : 17:29 : +0100

Zum Abschluss in der Hauptstadt

Mit dem Nachtbus von Guadalajara kamen wir um halb sieben am Sonntag, 18. März, am Nordbahnhof von Mexiko-Stadt an und fuhren mit der U-Bahn ins Zentrum zum selben Hotel wie vor sechs Jahren (San Antonio); es ist immer noch preislich günstig und angenehm. So war auch die Stadt am Sonntagmorgen und wir genossen sie, unter anderem auf einer Bank im Parque Alameda. In der Calle Tacuba stießen wir gegenüber dem Senatsgebäude auf Zelte der APPO aus Oaxaca (siehe oben „MEXIKO Forts.“). Sie forderten hier schon seit fünf Monaten die Absetzung ihres Gouverneurs und protestierten gegen das Vorgehen der Bundespolizei. In dieser Nacht von Sonntag auf Montag räumte dann die lokale Polizei den Plantón und sperrte die Straße. Einen Tag protestierten die APPO-Leute noch an der Einmündung in die Eje Central gegenüber dem Palacio de Bellas Artes, dann verloren wir sie aus den Augen.

Aus zwei Gründen waren wir vier Wochen vor unserem Heimflugtermin nach  D.F. (wie die MexikanerInnen ihre Hauptstadt nennen - Distrito Federal) gekommen: Wir wollten noch Jürgen treffen, der am 23. für ein paar Wochen in den Süden abreiste. (Jürgen hatten wir 2000 in Montevideo besucht und dann 2001 in D.F., wohin er inzwischen übersiedelt war.) Und wir wollten in der Osterwoche mit einer Chiapas-Solidaritäts-Gruppe nach La Garrucha fahren. La Garrucha ist einer der fünf zapatistischen Hauptorte (die autonomen Gemeinden sind in fünf „Bezirken“ zusammengefasst) mit dem Sitz eines Rates der Guten Regierung, dem wichtigsten Selbstverwaltungsgremium jedes Bezirkes. Wie wir hier in D.F. erfuhren, kam diese Fahrt jedoch nicht zustande, und so standen wir vor der Frage, ob wir neue (Reise-) Pläne machen oder den Rückflug vorverlegen sollten. Nach über fünf Monaten unterwegs hatten wir aber nicht mehr so richtig Lust auf neue Pläne und gingen zu Iberia, was aber gar nicht so einfach war, denn die richtige Adresse war weder über Telefonbuch noch Internet herauszufinden. Nach vier Stunden hatten wir drei vorreservierte Flugtermine und drei Tage später den endgültigen: 28. März.

Die Angaben über die Zahl der EinwohnerInnen von Mexiko-Stadt + Umgebung schwanken so zwischen 20 und 30 Millionen. Es ist daher auch nicht klar, ob es immer noch die größte Stadt der Welt ist. Sie liegt auf 2200 m Seehöhe und hat dadurch das ganze Jahr über ein recht angenehmes Klima. Die Luft ist zwar besser geworden im Vergleich zu früher, aber die Verschmutzung ist immer noch so groß, dass wir die schneebedeckten und teilweise rauchenden  Vulkane Popocatépetl und Iztaccíhuatl von hier aus nie gesehen haben.

Als Córtez mit den Soldaten nach Tenochtitlán, in die Hauptstadt des Reichs der Mexica (=Azteken) kam, waren sie überwältigt von der Schönheit, dem Reichtum und der Vielfalt der Stadt, die auf einer Insel des Texcoco-Sees geründet worden war und mit den Jahrzehnten immer mehr in den See hinauswuchs und daher von Wasserstraßen durchzogen war. Am Beginn des 16. Jahrhunderts lebten bis zu hunderttausend Menschen hier, die unter anderem durch das System der „schwimmenden Gärten“ mit Nahrungsmitteln versorgt wurden. Am 13. August 1521 metzelten die Spanier die BewohnerInnen nieder und zerstörten Tenochtitlán. Sie gründeten hier das Zentrum Neuspaniens und für die Erweiterungen der Stadt wurden immer größere Teile des Sees, von dem heute nur noch ein kleiner Teil existiert, zugeschüttet. Das Material, mit dem der Templo Mayor errichtet war, wurde unter anderem für den Bau der Kathedrale verwendet. Wie viele Teile der Stadt versinkt auch sie im weichen Untergrund und muss mit einem Stahlgerüst gestützt werden.
Erreichte man zur Zeit der Mexica das nördlich von Tenochtitlán gelegene Handelszentrum Tlatelolco mit dem Boot, fährt man heute – wenn es keinen Stau gibt – fünf Minuten mit dem Auto den Paseo de la Reforma entlang. Neben den Ruinen der prähispanischen Stadt stehen hier an einem Platz eine barocke Klosteranlage mit Kirche und ein Büro- und Wohngebäude aus den 50er Jahren, weshalb er „Platz der drei Kulturen“ heißt. Hier ließ die Regierung kurz vor den Olympischen Spielen 1968 auf demonstrierende StudentInnen schießen und über tausend ermorden. Momentan findet eine juristische Auseinandersetzung statt, ob sich der inzwischen kränkliche Ex-Präsident Echeverría dafür vor Gericht verantworten muss.

Es gibt natürlich viel zu tun und zu sehen hier. Unbedingt wieder anschauen wollten wir uns die Murales (Fresken) von Diego Rivera, Frida Kahlos Ehemann, der in tausenden Quadratmetern Geschichte und Gegenwart Mexikos bis in die 50er Jahre dargestellt hatte. Im Palacio Nacional, dem Sitz des Präsidenten, gelang uns das auch, nicht jedoch im Bildungsministerium, wo die Türen entweder geschlossen oder mit freundlichen, aber unkompetenten Wachposten besetzt waren. Auch ins Anthropologische Museum gingen wir wieder, und diesmal hatten wir mehr Zeit dafür vorgesehen: Um halb zehn waren wir dort und um halb sechs verließen wir es wieder. In dem beeindruckenden Bau aus den 60er Jahren sind sowohl die wichtigsten prähispanischen Kulturen Mexikos als auch das Leben der indigenen Völker heute – allerdings ohne auf ihre schwierigen Lebensbedingungen und deren gesellschaftliche Ursachen tiefer einzugehen - dokumentiert. Dort konnten wir unter anderem Nachbildungen des Grabes von Pascal, des Herrschers von Palenque, und des Tempels mit den Wandgemälden aus Bonampak sehen. 50 km nördlich von D.F. liegt die archäologische Anlage von Teotihuacán, einer der größten Städte des präkolumbianischen Amerika. Da wir letztes Mal schon zweimal dort waren, haben wir sie diesmal jedoch nicht besucht.

Neu war für uns die UNAM, eine Universität, die mit Paradebauten der modernen Architektur in den 50ern erbaut worden war. Auf einem riesigen parkartigen Gelände im Süden der Stadt liegen Zentralgebäude wie Bibliothek oder Rektorat und Institute verstreut. Gegenüber liegt das Olympiastadion von 1968.

Auf der UNAM, wo gerade an einigen Instituten gestreikt wurde, bekamen wir mit, dass um 16 Uhr an diesem Tag eine Demonstration gegen die Privatisierung der BeamtInnen-Pensionsversicherungs-Anstalt ISSSTE stattfinden sollte. So konnten wir an unserem vorletzten Tag (27. 3.) noch die mexikanischen KollegInnen im Kampf um ihre Alterssicherung und gegen den Neoliberalismus unterstützen. Das dementsprechende Gesetz, das gemäß deren BefürworterInnen gar keine Privatisierung wäre, sondern nur eine Absicherung der Zahlungsfähigkeit bewirken sollte, war vom Abgeordnetenhaus schon beschlossen worden und wurde an diesem Tag dem Senat vorgelegt. Er hat dann auch zugestimmt, aber die DemonstrationsrednerInnen versicherten, dass der Widerstand weitergehen würde. Sie kündigten einen nationalen Streik für den (?) 2. Mai an.

Wir trafen noch Hannah, eine Schülerin aus der Sillgasse, die in der Nähe ein Auslandsjahr macht, und eben Jürgen und Aleida, deren Wohnung wir uns dann mit Kater Max teilten und so die letzten Tage am Kontinent gemütlich verbringen konnten. Nicht ganz 24 Stunden dauerte die Heimreise und wir waren wieder in Igls. Vorher hatten wir noch über zwei Stunden Aufenthalt in München, die wir dazu nützten, im Wienerwald beim Bahnhof ums Eck Jägerschnitzel mit Gspritztem bzw. Weißbier zu uns zu nehmen, es hat wunderbar geschmeckt.

 

Wir verabschieden uns hier noch nicht endgültig, sondern planen eine abschließende Seite den bisherigen Berichten hinzuzufügen.

Dann also eventuell bis demnächst!

Christian und Ulla                                            Ostersamstag, Rankweil

Zelte der APPO vor Senatsgebäude
Mural von Rivera: Tenochtitlán
Mural: Unabhängigkeit von 1821 und Revolution von 1910
Sonnenscheibe der Azteken
Schlachtenszene von Bonampak
UNAM-Bibliothek
Olympiastadion von 1968
Demonstration gegen Privatisierung der Pensionskassa